Kirchners Hanschrift
eines Chorliedes, 1861
ZITATE von THEODOR KIRCHNER
"Schumann war offenbar erfreut über mein Verständnis seiner Sachen.
Es wunderte ihn,
dass ich alle d i e Stücke mit ihm besprach, die er selbst
für seine besten hält und
worüber ihm sonst noch niemand etwas gesagt habe...".
(Brief vom September 1851)
"Dass ich oft viel verspielt habe, leugne ich nicht. Aber du lieber
Gott! es geschah wirk-
lich nicht in der Absicht zu verspielen, sondern zu gewinnen
und so auf eine bequeme
Art aus allen Verlegenheiten heraus zu kommen. Leider bin ich auch sonst
nicht sparsam
im gewöhnlichen Leben. Immer zu freigebig, luxusliebend usw. Denn
Sie wissen ja, dass
ich aus einem Extrem ins andere falle".
(Brief vom 19.3.1862)
"Wieviel gibt es gute Klavierspieler, die doch nicht im Stande sind,
ein einziges der
phantasiereichsten und genialsten Stücke von Schumann richtig im Geiste
zu spielen!
Diese Region ist ihnen eben verschlossen. Und wenn ich Ihnen bei dieser
Gelegenheit
sage, dass sogar Frau Schumann viele Sachen ihres Mannes meinem Gefühl
nach ganz
abscheulich spielt - wie zum Beispiel die > Romanze < in der Soirée
- so ist das eben
meine Meinung, un die bleibe unter uns! Das Gefühl und das Verständnis
tut's nicht
allein , es muss Darstellungskraft vorhanden sein, und im höchsten
Sinne!
(Brief vom 23.3. 1862)
"Ich ertrage das Leben, aber es ist mir eine ungeheure Last - viel mehr
als es andern
scheinen mag. Ich darf niemandem sagen, wie mir innerlich zu Mute ist,
wie ich eigent-
lich an nichts mehr rechte Freude habe, wie ich mir selbst zuwider bin!
Nur der Schwimm-
gürtel des Humors und des Leichtsinns hält mich noch an der Oberfläche.
Überhaupt
liebe ich eigentlich nur noch die Kinder, die grossen Leute sind mir im
allgemeinen zu
dumm und zu schlecht. - Schumann war so eine kindliche Natur, wie ich sie
liebe und
bewundere".
(Brief vom 25.2.1863)
"Vor meiner Hinrichtung - nächsten Dienstag - bin ich kein Mensch
mehr. Ich geb' Ihnen
die Versicherung, dass ich mich in meinem Leben vor nichts so gefürchtet
habe wie vor
diesem öffentlichen Spielen. Je mehr ich übe, desto schlechter
geht's, weil ich eben
förmlich krank werde vor innerer Aufregung. Bitte denken Sie am Mittwoch
morgen an
mich, dann habe ich das Schreckliche überstanden".
(Brief vom November 1863)
"Brahms...ist ein kurioser Kauz: im Grunde liebenswürdig und tüchtig,
dann wieder
schroff und rücksichtslos im höchsten Grad - oft knabenhaft
lustig, dann wieder ernst-
haft und weise, wie ein alter Meister. Nehmen auch Sie ihn wie er ist!"
(Brief vom 12.5.1866)
"Verhehlen kann ich es mir selbst nicht mehr, dass ich meinem Verderben
entgegengehe,
da mir namentlich auch die Energie fehlt, mich aus der peinlichen Situation
durch tausend
gute oder am Ende einen schlechten Streich zu befreien. Ich glaube nicht,
dass mein Herz
eigentlich schlecht ist, aber schwach bin ich, und das ist wohl ziemlich
so schlimm...".
(Brief von ca. 1866)
"Die Unmöglichkeit, hier in Leipzig irgendwie Position zu gewinnen,
macht mich sehr be-
sorgt für die Zukunft. Wenn [man] componiren m u s s, um zu
leben, so wird einem schliess-
lich die ganze Kunst ein Lastwagen, den man tagaus und ein ziehn muss...".
(Brief ca. 1877)
"Ob besondere Neigung und Faulheit oder Ungeschicklichkeit mich immer
wieder aufs
Klavier hinwiesen und für dieses hauptsächlich in kleinen Formen
mich bewegen liessen -
wer weiss es genau? Ich nicht. Nur soviel kann ich Ihnen sagen, dass ich
alle meinen
kleinen Sachen wirklich empfunden und nicht > geschmiert < und
oft mehr Zeit dazu ge-
braucht habe, ein kleines Stückchen fix und fertig hinzustellen -
als es nachträglich er-
scheinen mag...".
(Brief vor 1886)
"Unsereiner schleppt sich nun so durch. Weiss oft nicht so recht, wie
er dazu kommt,
noch auf dieser Welt zu sein. Es ist eine fatale Sache, wenn man nicht
so dumm ist, seine
Existenz für notwendig zu halten. Ein Schuster macht so lange neue
Stiefel und besohlt
welche, solange er gesund ist, aber unsereiner nicht. Ich besohle bloss
noch".
(Brief vom 11.3.1886)
"Jedenfalls kannst Du [Brahms] überzeugt sein, dass ich mich an
Dingen in Deiner Musik
freue, die wohl den meisten Anderen entgehen. Seit vielen Jahren denke
ich immer, wenn
ich selbst etwas mache: Ob das wohl Brahms gefallen könnte? Und so
möchte ich, dass es
sogar einem wie Dir wohl thut zu wissen, dss unter der grossen Herde einer
ist, der eine
Nase für feinste hat. Meine anderen Organe nehmen nach und nach etwas
ab, besonders
die Augen, aber von der musikalischen Nase ist immer noch etwas da. Möchtest
Du ihr
noch viel zu riechen geben!"
(Brief vom 4.11.1892)
Obige Zitate sind den in der Literaturübersicht
genannten Titeln entnommen. 2002.