Herrscherin der Meere

Herrscherin der Meere
von Frank Adam
Sprache: Deutsch
Gebundene Ausgabe - 336 Seiten - Koehlers Verlagsges.
Erscheinungsdatum: August 1998
Millionen von Lesern verschlingen die Abenteuer von Hornblower, Bolitho und anderen Seehelden. Sie wollen wissen: Was ist Wirklichkeit, was ist Erfindung? Frank Adam ... liefert ein detailliertes Bild dieser Zeit. ... Lebendig und anschaulich Informationen u.a. über Ausbildung, Anwerbung und Bordleben der Offiziere und Mannschaften.

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La Manoeuvre Salamine - Das Salamis-Manöver

Die Szene wirkt bekannt: Zwei Fregatten gleiten in extrem spitzen Winkel aufeinander zu, die Rauchwolken der Breitseiten begleiten das Donnern der Kanonen, wildes Geschrei auf beiden Seiten, Enterhaken fliegen, die Schiffe berühren sich längseits und der Enterangriff beginnt. Wilde Gestalten hangeln sich wie Tarzan auf das andere Schiff, in der Takelage werden die Rahen der Schiffe zusammengelascht, an Deck toben wilde Fechtduelle...

Dieses Bild des Enterangriffs, wie es in einschlägigen Filmen und Romanen gezeichnet wird, hatte zumindest zu Lebzeiten Napoleons wenig mit der historischen Realität zu tun.

Das liegt einerseits daran, daß der Enterangriff infolge der Fortentwicklung der Schiffsartillerie und Neuentwicklung höchst effizienter Nahkampfwaffen, den sogenannten Karronaden, spätestens ab 1793 nicht die Strategie der ersten Wahl war - ganz im Gegenteil war es manchmal die letzte, verzweifelte Wahl. Andererseits gleicht die romantische Vorstellung der Realität auch deswegen nicht, weil das tatsächlich klassische Entermanöver ganz anders ablief und aussah:

Ein Seeoffizier dieser Zeit hatte nämlich zum Zwecke des Enterns auf der Marineschule oder von seinen Mentoren an Bord das sogenannte manoeuvre salamine gelernt, benannt nach einer berühmten Seeschlacht zwischen Persern und Griechen im Jahre 480 v. Christus.
Mit diesem manoeuvre salamine, zu deutsch Salamis-Manöver, wird im französischen Handbuch der Seekriegsführung des 18. Jahrhunderts ein Rammstoß in die Seite des Gegners beschrieben, der primär das Entermanöver erzwingen soll.

Ein größeres Segelschiff zu entern, wenn dieses den Enterkampf vermeiden wollte, war nämlich höchst schwierig. Vor allem das aus einschlägigen Filmen bekannte Längseitsscheren ergab sich eher umständehalber bei allzu engem und sich zuspitzendem Artillerieduell und entsprechender Berührung der Schiffe, als forciertes taktisches Manöver zum Zwecke des Enterangriffs taugte es dagegen wenig: Nur allzu leicht konnte eines der beiden Schiffe abhalten und die Entertruppe landete entweder im Wasser oder war auf dem gegnerischem Schiff isoliert. Es war auch unendlich schwierig, in paralleler Lage, bei Fahrt und unter Beschuß das eigene Schiff an den Gegner zu binden. Das Bild fliegender Enterhaken findet sich ebenfalls höchst selten in den nüchternen Berichten der Kapitäne dieser Zeit, die in marinehistorischen Romanen oft beschriebene Verlaschung der Rahen diente nicht einmal der Verbindung selbst, sondern war lediglich eine - ebenfalls eher seltene - Ergänzung zur Fixierung der Position.

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Um in der historischen Realität tatsächlich lehrbuchgemäß einen Enterangriff zu erzwingen bzw. ein manoeuvre salamine einzuleiten, versuchte der Angreifer den Gegner möglichst irgendwo mittschiffs zu rammen - bevorzugte Stelle und Ziel war in der Regel der hintere Mast des Opfers, in der Nähe des Steuerrades, daß idealerweise gleich mitgenommen wurde und nahe an der Befehlszentrale des Feindes auf dem Achterdeck, die so vom Mittelschiff isoliert wurde.

Ein lehrbuchmäßiges Beispiel für die Anwendung des Manövers war das Duell zwischen der kleinen französischen Fregatte BAYONESE (28) und der britischen Fregatte AMBUSCADE (32) am 14. Dezember 1798. Bezeichnenderweise war das Salamis-Manöver in diesem Fall das letzte verzweifelte Mittel des verfolgten französischen Schiffes gegen einen von der Bestückung her überlegenen Gegner. Aus dem Bericht:

Als die AMBUSCADE die BAYONAISE erneut einholte und zwar mit so viel Schwung, daß sie erst einmal an ihr vorbei segelte, nutzte die BAYONAISE offensichtlich irgendwie ihre Chance. Sie rammte mit dem Bug die AMBUSCADE in Höhe des Achterdecks, zerstörte Schanzkleid, Wanten und traf mit ihrem Bugsprit heftig den Besanmast des Gegners, der daraufhin umknickte. Gleichzeitig wurde das englische Steuerrad weggerissen...

Das Salamis-Manöver : Bayonaise rammt Ambuscade

...Irgendwie verhakte sich die BAYONAISE am Gegner und wurde durch den Wind hinter das Heck der AMBUSCADE getrieben.
Vom Bug aus hatten die französischen Schützen ein hervorragendes Schußfeld auf das Achterdeck des Briten und schoßen in kurzer Zeit den Kapitän, alle Leutnants sowie den Steuermann nieder, während ihnen kaum Widerstand entgegenschlug.

In diesem Fall war der Rammstoß ein Volltreffer, weil er alle erwünschten Nebenwirkungen erzeugte: Verwirrung, schwere Beschädigungen an Deck, die Befehlszentrale auf dem Achterdeck wurde erfolgreich angegriffen und offensichtlich zumindest zeitweise eliminiert bzw. isoliert.

Das für ein Schützengefecht von Schiff zu Schiff das Salamis-Manöver eine bessere Position für das rammende Schiff schafft, liegt auf der Hand. Die Schützen des angreifenden Schiffes haben bei geringeren Entfernungen einen besseren Überblick und mehr Schußfeld als die Verteidiger, die ihr Feuer auf Bug und Vorderschiff konzentrieren müßen. Der rammende Bug ist wie ein Angriffskeil, der in eine gegnerische Formation stößt, sozusagen ein Pfahl im Fleisch.
Dazu ist es höchst wahrscheinlich, daß sich die Takelage in der Takelage des Gegners verfängt, es sei denn, der Angreifer käme direkt vor dem Wind.

Das der Rammstoß tatsächlich auch den Masten des Gegners galt, zeigt das Beispiel des berühmten Gefechtes am 18. Juni 1793 zwischen der britischen NYMPHE (36) und der französischen CLEOPATRE (36) :

An Bord (der CLEOPATRE) gab Kapitän Mullon den Befehl, sich zum Entern der NYMPHE vorzubereiten, dann rammte die CLEOPATRE mehr oder weniger gewollt mit dem Bug Pellews Schiff mittschiffs. Der Klüverbaum der CLEOPATRE traf hart den ebenfalls angeschlagenen Hauptmast der NYMPHE. Pellew erwartete nun den eben angesprochenen Enterversuch Mullons und bereitete alles zur Abwehr vor, während er gleichzeitig Befehle erteilte, den bedrohten Hauptmast seines Schiffes zu stützen. Zum Glück für die Briten brach der Klüverbaum der CLEOPATRE jedoch und nahm so vorerst den Druck von der bedrohten Stenge.

In anderen Fällen kam es nicht zum Entermanöver, weil das Manöver nur unvollkommen gelang und eher unintendierte Folgen nach sich zog, wie z.B. im Gefecht zwischen der PHOENIX (36) und der DIDON (44) am 10. August 1805 :

Sie (die DIDON) rammte mit ihrem Backbordbug das Steuerbordheck der britischen Fregatte. Dabei beschädigte das französische Schiff gleichzeitig den eigenen Bugsprit, setzte sich aber vorerst fest, was sich zunächst auch als vorteilhaft erwies. Da beide Schiffe sozusagen in einer Linie lagen, konnten sie ihre Breitseiten nicht mehr zum Tragen bringen. Allein eine der französischen 36-Pfünderkarronaden auf dem Vorderdeck fand noch feindliche Ziele. Mit der Unterstützung dieses Geschützes und des Feuers der Seesoldaten versuchte Milius nun zunächst über den Bug die PHOENIX zu entern, wurde aber zurückgeschlagen.

 The Naval History of Great Britain: During the French Revolutionary and Napoleonic Wars The Naval History of Great Britain: During the French Revolutionary and Napoleonic Wars
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Erscheinungsdatum: März 2003

Manchmal wurde dieser Enterangriff auch in der letzten Phase eines Duells zur Eroberung des Gegners gefahren. Am 13. Dezember 1809 geriet die englische Fregatte JUNON (38) an die vollbewaffneten französischen Fregatten RENOMMEE (40) und CLORINDE (40), die zwei weitere Fregatten eskortierten. SEINE und LOIRE waren mit militärischen Gütern beladen und hatten deswegen nur wenige Geschütze an Bord - en flute nannte man das. Doch trotz fehlender Geschütze beteiligte sich zumindest die LOIRE am Kampf gegen den sich verzweifelt wehrenden Briten. Der englische Marinehistoriker William James berichtete 1837 in seiner "Naval History" :
LOIRE ran her bowsprit over JUNON's quarter and the French troops swept her deck with musket fire.
Es wird hierbei auch gleich deutlich, daß wilde Fechtduelle nur selten vorkamen. Tatsächlich waren sie sozusagen nur noch die finale Treibjagd, nachdem die gegnerische Besatzung durch Beschuß dezimiert oder unter Deck getrieben wurde.

Im berühmten Duell vor dem Flamborough Head am 23. September 1779 hatte Kapitän Pearson von der britischen Fregatte SERAPIS (44) wohl auch gedacht, er habe das amerikanische Schiff BONHOMME RICHARD (42) sturmreif geschoßen, denn der Brite bediente sich trotz großer artilleristischer Überlegenheit schließlich des Salamis-Manövers :

...jedenfalls rammte die SERAPIS bei geringer Geschwindigkeit mit dem Bug die quer vor ihr liegende BONHOMME RICHARD in der Höhe zwischen Heck und Besanmast, wobei sich zunächst nur Rahen ineinander verhakten.

Doch bei der BONHOMME RICHARD handelte es sich eben nicht um eine moderne Fregatte, sondern um einen umgebauten, alten Ostindienfahrer - mit unerwarteten Folgen für die Briteen:

Der Wind in den Segeln der SERAPIS trieb aber dann ihr Heck gegen den Bug des amerikanisch-französischen Schiffes, so das beide Schiffe Seite an Seite und jeweils Bug an Heck lagen. Es kam aber noch schlimmer für Pearson: Der Bug der SERAPIS lag nämlich nicht ganz am Ende der BONHOMME RICHARD, sondern ungefähr dort, wo das altmodische und sehr hohe Heck des ehemaligen Ostindienfahrers begann. Aus diesem Grunde war ein nicht geringer Teil des feindlichen Hecks für die Kanonen der SERAPIS nicht mehr zu bestreichen. Zum Glück der Amerikaner standen auf diesem Teil des Schiffes noch zwei funktionsfähige Neunpfünderkanonen, die nun annähernd der Länge nach das Deck der SERAPIS beschießen konnten.

Das Salamis-Manöver der SERAPIS gegen die BONHOMME RICHARD

Nicht immer also gelang das Manöver und manchmal scheiterte es schon im Ansatz. In der Fregattenschlacht vor Lissa am 13. März 1811 setzte die französische Fregatte FAVORITE zum Rammstoß gegen die britische AMPHION an, doch diese profitierte von ihrer extraordinären Bewaffnung, der ruhigen See und etwas Glück. Leidtragende waren die am Bug gesammelten Entermannschaften der französischen Fregatte, die wieder abhalten mußte, weil sie durch den Beschuß schwere Verluste erlitt.

Obwohl das Kriegshandbuch das Salamis-Manöver nicht explizit auf eine bestimmte Klasse von Schiffen einschränkt, so ist diese Taktik im angesprochenen Zeitraum für Linienschiffe wohl wenig geeignet gewesen. Einer der Gründe lag in der geringeren Beweglichkeit und Geschwindigkeit dieser Schlachtschiffe des 18. und 19. Jahrhunderts. Ein anderer Grund war die Artillerie der damaligen Zeit: Während eine zum Rammstoß anlaufende Fregatte für den Zeitraum den Manövers schon einmal den Längsbeschuß über den Bug in Kauf nehmen konnte - die gegnerische Fregatte war in der Regel mit Zwölf- oder Achtzehnpfündern ausgestattet - mußte ein langsameres, vor Menschen wimmelndes Linienschiff vom anderen Schlachtschiff Vierundzwanzigpfünder- oder Zweiunddreissigpfünderkugeln schlucken. Die hatten entsprechend größere Durchschlagskraft und einen höheren "Splitterfaktor".

Ein Beispiel von der Schlacht von Trafalgar am 21. Oktober 1805 zeigt dann auch, daß die Artillerie eines Linienschiffes das Salamis-Manöver gegen diese Schiffmonster wenig ratsam machte: Damals war das französische Linienschiff FOGUEUX auf die vermeintlich hilflose englische TEMERAIRE in der Absicht eines Enterangriffs zugelaufen und zwar ganz nach Lehrbuch. Der französische Kapitän Baudoin war davon ausgegangen, daß die Breitseite des Briten "stumpf", also nur noch eingeschränkt feuerbereit war. Doch er irrte sich, denn die FOGUEUX lief in vernichtende Breitseiten, die der Länge nach verheerende Bahnen durch das anlaufende Schlachtschiff zogen, das französische Schiff steuerlos schoßen und ein wahres Blutbad anrichteten.

Einer ganz besonderen Technik zur Einleitung des Salamis-Manövers bediente sich der Kommandant der Sloop DART (22), Commander Patrick Campbell, bei einem Angriff am 7. Juli 1800. Die DART führte eine Flotille mit Brandern und kleinen Booten an, deren Ziel vier vor Dünkirchen ankernde französische Fregatten waren.

Die DART attackierte die als erste in der Linie liegende DESIREE (38) auf ingeniöse Art und Weise :
Zunächst glitt sie an der Seite des Gegners vorbei und feuerte dabei ihre fünfzehn Anti-Rückstoß- Karronaden ab. Diese für den Schiffnahkampf idealen Waffen - weil ungemein durchschlagskräftig und schneller zu laden als andere Geschütze - bereiteten das folgende Manöver vor.
Die DART hatte die DESIREE halb passiert, als sie den Bug gegen die Breitseite der feindlichen Fregatte wendete. Campbell hatte zuvor einen Heckanker werfen lassen. Diese Maßnahme bremste einerseits die Fahrt, lenkte die Sloop andererseits in einen halbkreisförmigen Kurs und schließlich mit dem Bug gegen die Seite der DESIREE. Schließlich rammte die DART ihren Bug mittschiffs über das Deck des Gegners und während nun durch Musketen und Karronadenfeuer das Entern vorbereitet und das Deck der DESIREE blutig "gefegt" wurde, ließ Campbell die Trosse des Heckankers wieder kappen, so daß sein Schiff nun durch Strömung und Wind längseits des französischen Schiffes gedrückt wurde.

Campbells Maßnahmen erwiesen sich als Schlüssel zum Erfolg, sein Enterkommando konnte die DESIREE erobern. Dafür wurde der Commander später zum Kapitän zur See befördert und sein Schiff bekam 1847 die "General Service Medal" zuerkannt.

Betrachtet man die rund 200 Schlachten oder Duelle auf See zu Lebzeiten Napoleons, also z.B. im amerikanischen Unabhängigkeitskrieg, in den französischen Revolutionskriegen oder den napoleonischen Kriegen bzw. Koalitionskriegen, so kann man aber konstatieren, daß die überwältigende Mehrheit dieser Gefechte durch reine Artillerieduelle, wenn auch auf kürzeste Distanz, entschieden wurden. Das manoeuvre salamine ist deswegen in diesem Zeitraum nur eine Marginalie, dafür aber eine interessante Randnotiz.

 DAS SCHIFF von Stephen Biesty, Richard Platt
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