Das hier sind 3 echt schöne Geschichten, bitte lest sie euch durch, es lohnt sich...

Erstmal eine von MondscheinElfe:

Sie trägt ein weißes Hochzeitskleid, steht am Ufer des Meeres, schaut sich den Sonnenuntergang an und lässt sich das kalte Wasser um die Füße spülen. Doch sie friert nicht. Kann sie überhaupt noch etwas spüren? Etwas empfinden? Sind nicht alle Gefühle in dem Augenblick gestorben, in dem auch SIE alle ermordet wurden? Sie- ihr Vater, ihre Mutter, ihre Geschwister und... ihr Verlobter? In der Ferne hört sie Gewehrschüsse. Sie zuckt zusammen, wird sich wieder bewusst, das sie sich mitten im Krieg befindet, in dem auch ihre Familie starb. Sie sollte nicht soviel über die Vergangenheit nachdenken, hatte ihre Mutter immer gesagt... doch jetzt bleibt für sie nicht mehr viel mehr als die Vergangenheit, eine Zukunft wird es nie geben. Heute wird ihr letzter Tag auf dieser kalten, grausamen Erde sein... Sie schreitet immer tiefer ins Meer hinein, die Wellen reichen ihr schon bis zum Bauch, sie zögert nicht, bleibt nicht stehen, geht zielstrebig weiter. Als sie das Wasser am Hals spürt, lässt sie sich fallen, lässt sich treiben, als wäre sie eine Leiche, tot, tot, tot, tot, wie alle, die sie geliebt hat. Sie schließt die Augen, lässt sich immer tiefer sinken, atmet noch einmal aus... Erinnert sich an die Zeit, an dem die Welt für sie noch in Ordnung war, als sie noch wusste, was Frieden bedeutete. Sie sieht es ganz deutlich vor Augen, ihre Mutter, wie sie am Herd steht, ihr zulächelt, sie kann den Duft in der Küche förmlich riechen, sieht den Vater, wie er mit der Pfeife im Mund am Kamin sitzt und ihr Geschichten erzählt hat, und später, als sie erwachsen wurde, mit ihr und der Mutter Hochzeitspläne besprochen hat. Was für eine warme, sanfte Stimme er gehabt hat... Sie sieht ihre kleine Schwester auf dem Teppichboden spielen, mit ihrem neuen Spielzeug, sie war grade sieben geworden... Ihren großen Bruder daneben, ein gutaussehender, junger Soldat von 23 Jahren... und zuletzt sieht sie Lukas, ihren Verlobten. Auch er war Soldat gewesen- und ist als Soldat gestorben- "für das Vaterland". Heute wäre der Tag gewesen, an dem sie heiraten wollten... Ja, sie waren grade dabei, die Einladungskarten zu schreiben, als die Türen plötzlich eingetreten wurden, Männer hineinstürmten und der Schusshagel begann, sie hört immer noch ganz genau Mutters Schreie im Kopf, sieht ihre kleine Schwester blutverschmiert am Boden liegen, die kindlichen Augen vor Schreck aufgerissen, ihr Bruder neben ihr, auf dem Bauch liegend, in einer Blutlache, der Vater war als erstes tot, er hält seine Pfeife noch zwischen den Fingern... erst als die Männer weg waren, traute sie sich, Lukas anzusehen. Sein Kopf lag auf dem Tisch, sein Blut floss über die Karten, in seinem Gesicht stand das Entsetzen geschrieben... bis heute wusste sie nicht, was diese Mörder für einen Grund hatten. Und sie wird es auch nie erfahren. Inzwischen ist sie tief herabgesunken, die Luft wird knapp, sie lässt sich weiter mit offenen Augen treiben, sieht Fische über sich Kreise ziehen. Sie unterdrückt, immer wieder den Reflex, nach Luft zu schnappen, dann erblickt sie plötzlich ein gleißendes Licht, sieht dahinter schemenhaft bekannte Gesichter auftauchen... Sie sind es, endlich, endlich sind sie wieder zusammen... und jetzt kann sie nicht mehr trennen...

Kalter Stein

Und hier 2 von so 'ner Geschichtensite:

Sie hatte schon viele Friedhöfe besucht und Schicksale gesehen, die sicherlich die eine oder andere Träne wert gewesen wären. Früh gestorbene Kinder, bei irgend einem sinnlosen Autounfall umgekommene junge Menschen, verlorene Familienväter, im Kindbett gestorbene Mütter. Ein Grab kann mehr über einen Menschen erzählen, als das, was dieser Mensch in seinem Leben geschaffen hat. Vielleicht liegt da eine einzelne Rose auf dem Grabstein, oder ein Bild zeigt den verblichenen im Kreise seiner Freunde. Vielleicht ist es aber auch nur die Ruhe, die ein Grab manchmal ausstrahlt, oder der Geruch eines bunten Blumenstraußes, der von der früheren Lebensfreude dieses Menschen Zeugnis gibt. Nichts von alledem war an der Stelle zu finden, an der die junge Frau jetzt verharrte. Ihre Schritte hatten sie zu einem dieser Friedhöfe geführt, die wie ein Meer aus Kreuzen, Skulpturen und Kappellen wirkten, einer der Friedhöfe, die sie gerne besuchte. Nur wenige Besucher fanden den Weg auf diesen Hügel, und die meisten beschränkten sich auf die Besichtigung der sicherlich sehenswerten Kirche. Die paar übrigen Besucher schienen Einheimische zu sein, die herkamen, um zu trauern. Und wie eine Trauernde stand sie jetzt vor dieser Grabstelle. Es war nur eine einfache marmorne Grabplatte, an deren Kopfende auf einer schmalen Bank ein Engel lag. Im ersten Moment hatte sie versucht sich einzureden, daß es eben nur eine wirklich gute Skulptur eines Engels war. Sie hatte sich gesagt, daß der Aufstieg sie doch mehr geschafft hatte, als sie sich selbst eingestehen wollte. Und immerhin waren da die leichten Spuren von Verwitterung an dieser Skulptur, die Verfärbungen durch den Regen und die Tatsache, daß sich das vermeintlich leichte Gewand der Figur eben nicht im Wind bewegte. Doch ihre Augen hatten immer wieder zu dem Gesicht des Engels zurück gefunden, das so lebendig wirkte. Dieses Gesicht schien nicht versteinert, es wirkte so frisch, als müßten im nächsten Moment Tränen aus seinen traurigen Augen kullern. Die zarte Hand, die wie in einer hilflosen Geste zu dem Grab ausgestreckt war. Und die Flügel, die so gar nicht deplaziert wirkten, wie es bei den meisten Skulpturen der Fall war. Langsam versank sie in der Betrachtung dieses Engels, des zarten Körper unter dem viel zu dünnen Satin. Irgendwann spürte sie, daß da Blicke auf ihr ruhten. Es war nicht das unangenehme Gefühl, wie es sie manchmal in der Stadt beschlichen hatte, wenn wieder mal jemand hinter ihr her gaffte. Es war ein freundlicher Blick, wie der aufmunternde Blick eines Freundes, oder wie der vergebende Blick eines Fremden, den man versehentlich angestoßen hatte. Und sie hatte auch nicht nach den dazugehörigen Augen suchen müssen. Sie wußte, daß es eben diese marmorne Skulptur eines Engels war, über deren Betrachtung sie offensichtlich ihre Verbindung zur Wirklichkeit verloren hatte. "Wer bist Du?" flüsterte sie leise, oder vielleicht dachte sie auch nur, daß sie es ausspräche. "Für Dich bin ich ein Engel" kam die Antwort, "ein versteinerte Engel vielleicht, oder ein in Stein gefangener Engel, oder die Tochter des Bildhauers, mit angedichteten Flügeln. Wie Du willst." - "Wie ich will?" fragte oder dachte die junge Frau. "Natürlich. Dies ist Deine Welt, oder?" Die Frau dachte einen Moment nach. War dies wirklich ihre Welt? Oder war es nur eine Ausgeburt ihrer übersteigerten Phantasie? "Wo ist der Unterschied?" fragte da der Engel und setzte sich auf. Es war eine anmutige Bewegung, wie die einer Tänzerin, und zuerst fand die junge Frau diese Bewegung schön. "Beinahe zu schön für eine Marmorskulptur" schoß es ihr durch den Kopf und sie starrte den Engel mit weit aufgerissenen Augen an. "Warum starrst Du so?" fragte der Engel und seine Stimme war die eines kleinen Kindes. Da war keine Furcht, keine Verwunderung, die in der Stimme mit schwangen, nur Neugier. "Weil ich Angst habe" gestand die junge Frau. "Du solltest Dich nicht bewegen können." Der Engel senkte den Blick und schwieg. "Ich meine... wer... was bist Du wirklich?" Der Engel antwortete noch immer nicht. Er hob nur den Kopf ein wenig, so daß sie in seine traurigen Augen sah. Eine ganze Weile schauten sich die beiden so an, und die junge Frau spürte immer deutlicher, daß da mehr war, als nur ein kalter Stein. Aber das durfte nicht sein. Es gab keine Skulpturen, die plötzlich zum Leben erwachten. Und es gab auch keine Engel. "Ich bin was Du willst" antwortete der Engel endlich, und in seinen Augen schien ein Fünkchen Hoffnung aufzuflackern. "Du... Du bist nichts als ein kalter Stein!" rief die Frau, mehr aus Angst denn aus Überzeugung. Der Engel senkte wieder den Kopf. "Ja" antwortete er zögernd. "Wahrscheinlich hast Du recht. Ich bin nichts als ein kalter Stein." Mit diesen Worten legte er sich wieder auf die Bank und schwieg. "Engel?" fragte die junge Frau leise. "Engel?"

Schlaflos
Seit ein paar Tagen kenne ich sie nicht mehr. Ich weiß nicht, was passiert ist und warum. Jetzt liegt sie hier neben mir, den Kopf von mir abgewandt. Ihre nackten schlanken Arme sind zur Hälfte ins Kissen vergraben. Ich möchte sie gern berühren. Aber ich habe nicht den Mut dazu. Ich möchte sie nicht erschrecken. Man weiß ja nie. Und so liege ich hier, schlaflos, die was weiß ich wievielte Nacht und verstehe nicht. Seit ein paar Tagen kenne ich sie nicht mehr. Fremde Leute rufen an und wollen sie sprechen. Sie lacht gekünstelt am Telefon. Manchmal geht sie weg und sagt nicht wohin. Ich frage sie: "Was ist los?" Sie fragt: "Was soll los sein?" Ich weiß nicht, was los ist. Sie liegt da und atmet gleichmäßig. Ich streiche ihr vorsichtig ein paar Haarsträhnen aus dem Gesicht. Sie schläft. Gott sei dank - wenigstens schläft sie. Ich wollte ihr auch neulich nur ein paar Haarsträhnen aus dem Gesicht streichen. Ihr Haar fällt ihr immer ins Gesicht, wenn sie schläft. Ich griff nach ihrem Haar und griff dabei in ihr nasses Gesicht. Sie weinte. Lautlos. Jede Nacht. Immer, wenn sie meinte, ich schliefe. Und nun liege ich wach und weiß nicht, was ich tun soll, denn ich kenne sie nicht mehr. Und sie liegt da, von mir abgewandt, aus Stein, aus Eis. Und morgen wird sie wieder gekünstelt fröhlich sein und mit ihren Freunden reden, die ich nicht kenne - genauso wenig wie sie. Seit ein paar Tagen kenne ich sie nicht mehr. Und nun habe ich Angst, daß sie ihre Sachen packt und geht und ich sie nicht aufhalten kann. So wie ich nicht verhindern kann, daß sie nachts heimlich weint. Insgeheim hoffe ich noch immer, daß alles nur ein böser Traum ist, aus dem ich aufwache und sie ist wieder da - wie früher. Sie ist eine Frau - da weiß man nie. Es ist nur... seit ein paar Tagen kenne ich sie nicht mehr. Und nun frage ich mich plötzlich, ob ich sie eigentlich je gekannt habe.