Warum
am 8. März?
Das ArbeiterInnenleben am Anfang dieses Jahrhunderts war
elend und hart. Am 8. März 1857 waren die
Textilarbeiterinnen in New York in einen Streik getreten.
Anderen Quellen zufolge wurde der Tag im Gedenken an 129
Arbeiterinnen gewählt. Diese sind im Kampf um bessere
Arbeits- und Lebensbedingungen am 8. März 1908 zusammen
mit anderen Arbeiterinnen ihrer Textilfabrik Cotton in
New York in den Streik getreten. Um eine Solidarisierung
der Gewerkschaften und anderer Belegschaften zu
verhindern, wurden diese Frauen vom Fabrikbesitzer und
den Aufsehern in der Fabrik eingeschlossen. Aus
ungeklärten Gründen brach in der Textilfabrik ein Brand
aus und zerstörte sie gänzlich. Nur wenigen der
eingesperrten Arbeiterinnen gelang die Flucht; 129
Arbeiterinnen starben in den Flammen.
Die Wurzeln des 8. Märzes liegen also in der Tradition
proletarischer Frauenkämpfe. Im selben Jahr
demonstrierten weitere Textil- und Tabakarbeiterinnen.
1909 streikten 20.000 Näherinnen von Manhatten. Tausende
wurden verhaftet, doch die Unternehmer mussten ihren
Forderungen nach 2-monatigem entschlossenem Streik
nachgeben. So waren es dann nordamerikanische
Sozialistinnen, die 1909 das erste Mal auf nationaler
Ebene einen speziellen Frauenkampftag durchführten.
«...am letzten Februarsonntag sollen grosse
Veranstaltungen zur Propagierung des Frauenwahlrechts und
der sozialistischen Ideen organisiert werden». |
Clara Zetkin
Eine der wichtigsten Befürworterinnen eines Frauentages
war die deutsche Sozialistin Clara Zetkin
(1857-1933). Sie setzte sich ein für einen
Achtstundentag, gleichen Lohn für gleiche Arbeit, Urlaub
für Schwangere sowie die Gleichstellung der Frau im
Arbeitsschutzgesetz. Dabei mußte sie sich auch gegen
Teile der ArbeiterInnenbewegung durchsetzen, die in der
Arbeit von Frauen angesichts der hohen Arbeitslosigkeit
in erster Linie eine Bedrohung für die Beschäftigung
der Männer sahen.
1920 schlug Clara Zetkin «Richtlinien für die
Kommunistische Frauenbewegung» vor. Diese verpflichteten
u. a. sämtliche kommunistischen Parteien zur Schaffung
von spezifischen Organisationsformen für die
proletarische Frauenbewegung. Trotz aller Anstrengungen
wurden diese Richtlinien in der Praxis kaum durchgesetzt.
Dies hing zum einen mit den patriarchalen Strukturen und
der Dominanz der Männer innerhalb der kommunistischen
Parteien zusammen; zum andern aber mit der grossen
Weltwirtschaftkrise der 30er Jahre und der in diesem
Zusammenhang sich etablierenden faschistischen Gefahr, so
das die Dringlichkeit existenzieller Probleme spezifische
Frauenanliegen immer mehr an den Rand drängte. |
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In
Europa beschloß die II. Internationale Sozialistische
Frauenkonferenz (100 Delegierte aus 17 Ländern)
auf Initiative von Clara Zetkin am 27. August
1910 in Kopenhagen die Einführung eines jährlichen
Internationalen Frauentages für die Interessen
der Frauen gegen mehrfache Ausbeutung und Unterdrückung.
Themen waren also die Gleichberechtigung der Frauen, ihr
Wahl- und Stimmrecht, sowie der Kampf gegen den
imperialistischen Krieg. Der erste internationale
Frauentag fand am 19. März 1911 in Dänemark,
Deutschland, Österreich, der Schweiz und den USA statt.
Millionen von Frauen beteiligten sich. Die Wahl dieses
Datums sollte den revolutionären Charakter des
Frauentags unterstreichen, weil der 18. März der
Gedenktag für die Gefallenen in Berlin während der
Revolution 1848 war, und auch die Pariser Commune in den
Monat März fiel.
Zentrale Forderungen
waren: |
- gegen den imperialistischen Krieg
- Arbeitsschutzgesetze
- ein Wahl- und Stimmrecht der Frauen
- gleicher Lohn bei gleicher Arbeitsleistung- der Achtstundentag
- ausreichender Mutter-
und Kinderschutz
- Festsetzung von
Mindestlöhnen
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Bis dahin wurde der internationale Frauenkampftag immer
an wechselnden Daten zwischen Ende Februar und Ende April
begangen. Erst 1921 wurde auf Beschluss der 2.
kommunistischen Frauenkonferenz der 8. März festgelegt.
Damit sollte an den grossen Textilarbeiterinnen-Streik in
Petersburg erinnert werden, der auf andere Sektoren
übergriff und eine grosse Arbeiterinnendemo auslöste.
Diese Kämpfe fanden anlässlich des Frauentages am
8.März 1917 statt - nach dem alten russischen Kalender
am 23. Februar - und lösten den Beginn der
«Februarrevolution» aus. Dieses Datum sollte von nun an
internationale Bedeutung für die Interessen und den
Kampf aller ausgebeuteten und unterdrückten Frauen
bekommen.
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Wie ging`s
weiter?
1918 stand das Frauenwahlrecht im Mittelpunkt des
internationalen Frauentages. Im November 1918
erstritten die Sozialdemokratinnen mit bürgerlichen
Frauenstimmrechtsverbänden das Stimmrecht für Frauen.
In der Zwischenkriegszeit waren die zentralen Themen am
8. März zum einen der legale Schwangerschaftsabbruch,
sowie der Schwangeren- und Mutterschutz. Dieser Kampf
wuchs zu einer Massenbewegung an, denn die
Wirtschaftskrise, die damals in ganz Europa
herrschte, zwang jährlich über eine Million
Frauen abzutreiben. An den Folgen dieser
illegalen Abtreibungen starben in Deutschland 1931 ca.
44.000 Frauen. Zum andern ging es um
Existenzprobleme: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit,
Arbeitszeitverkürzungen ohne Lohnkürzungen, Senkung der
Lebensmittelpreise und Schulspeisung. Forderungen, die
uns auch heute nicht unbekannt sind. Der Ausbruch des 2.
(imperialistischen) Weltkrieges, das Verbot
kommunistischer Parteien und der Versuch jeglichen
Widerstand auszumerzen, machte eine kämpferische
Durchführung des 8. März unmöglich.
Resümee
dieser proletarischen Frauenbewegung
Ein entscheidender Schwachpunkt war die Überschätzung
der Entwicklung, die sich durch den Einbezug der Frauen
als Lohnarbeiterinnen ergeben werde. Zu stark wurde das
Gewicht auf die ökonomische Komponente der
Unterdrückung der Frau gelegt. Zuwenig wurde dabei die
Komplexität der patriarchalen Strukturen als ein
wichtiger Bestandteil der kapitalistischen
Ausbeutungsverhältnisse in allen Bereichen analysiert
und angegriffen. Diese Strukturen sind ein
Spaltungsinstrument der Bourgeoisie, weil es die vereinte
Kraft des Proletariats schwächt(e). Dieser
Mangel hing mit der damaligen historischen
Situation zusammen, ist aber auch eine Folge der
Verkennung der Rolle der Frau in der proletarischen
Familie und ihrer darin geleisteten Arbeiten. Es gab zwar
von führenden Kommunistinnen wie Clara Zetkin, Alexandra
Kollontai, Inessa Armand und vielen anderen, Analysen zur
Rolle der bürgerlichen Familie im kapitalistischen
System und Vorschläge zur Vergesellschaftlichung der
Haus- und Erziehungsarbeit, sowie zu neuen
Beziehungsverhältnissen. Doch wurde dem zu wenig
Beachtung geschenkt und deshalb auch die Organisierung
der Frauen im Kampf gegen frauenspezifische
Unterdrückungsverhältnisse nicht konsequent genug
angegangen.
Nach dem II. Weltkrieg in Osteuropa
Nach dem 2. Weltkrieg fanden in der sowjetischen
Besatzungszone bereits 1946 wieder Feiern zum Frauentag
statt. In den sozialistischen Ländern wurde die
gesellschaftliche Befreiung der Frau gefeiert. Der Tag
wurde mit offiziellen Feiern für die Frauen organisiert,
um die sozialen Errungenschaften des Staates für die
Frauen herauszustellen.
Nach dem II. Weltkrieg in Westeuropa
Für lange Zeit gab es keine grösseren Veranstaltungen
mehr. Nach 40 Jahren wurde der 8. März dem sogenannten
Frieden geopfert. Die Kleinfamilie als Kern der
Gesellschaft wurde gepriesen und das mütterliche Herz
beschworen. Der ökonomische Aufschwung, die Einbindung
der gänzlich angepassten Parteien in den bürgerlichen
Staat, sowie die Entpolitisierung des Klassenbewusstseins
durch den Aufbau des «Sozialstaates» und die
Zementierung der «Sozialpartnerschaft» liessen auch den
8. März immer mehr von einem Kampftag für die
Interessen der Frauen zu einem allgemeinen Festtag für
die Frau werden. |
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In Westeuropa
gewann der Tag in den 80er Jahren wieder größere
Bedeutung. Frauen nutzen ihn, um auf Ungleichbehandlungen
hinzuweisen. Themen wie die Rechte von Ausländerinnen,
die Diskriminierung von nicht- heterosexuellen
Lebensweisen und die bessere Sicherung der Frauenrechte
im Rahmen der europäischen Annäherung werden
aufgegriffen. Ein Höhepunkt war 1994 der
FrauenStreikTag, als mehr als eine
Million Frauen bundesweit gegen Diskriminierung
protestierten. |
Die
Kontroverse zwischen einem klassenkämpferischen
Frauenkampf und einem feministischen Kampf, der den
Geschlechterwiderspruch ins Zentrum seines Handeln
stellt, zieht sich durch die ganze Geschichte der
Frauenbewegung. Diese zwei Linien waren und sind die
Widerspiegelung von unterschiedlichen Auffassungen aller
gesellschaftlichen Ausbeutungsverhältnisse und der Art
und Weise, wie diese aus dem Weg geräumt werden können.
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